Hugo ist da

Also ersteinmal möchte ich damit anfangen, wie es dazu kam dass ich überhaupt ein Stoma bekam. Im Text wirst Du dann auch erfahren, wieso ein Stoma "Hugo" heißt. Also, ich war also mit meinem damaligen Partner zusammen. Klar lief alles gut, gesundheitlich naja, könnte es besser gehen, man hat sich damit arrangiert sozusagen. Die Fistel war noch da, ich hatte mein "Pflaster" noch am Bauch, aber ich konnte wenigstens essen, konnte mich bewegen, Auto fahren, reisen und am Leben teilnehmen. Dann kam der Abend der alles verändern sollte. Ich fuhr damals mit dem Auto von meinem Freund durch Osnabrück um ihn von einer Party abzuholen. Auf dem Weg dorthin, es war am regnen, es war dunkel, hatte ich dann einen schweren Verkehrsunfall mitten in Osnabrück. Ich hing mit dem Auto zwischen Hauswand und Straßenlaterne fest. Das Auto naja, zur Hälfte war es noch ein Auto, ja. Ich war auch noch da, allerdings nicht ansprechbar und weiß von dem Unfallhergang nichts mehr. Bis heute kann ich mich daran nicht erinnern. Und der Unfall war im Jahr 2002. Es hieß dass ich wohl gegen die Mittelinsel gekommen bin, mich erschrocken habe und dann das Lenkrad rumgerissen habe, dabei ins Schleudern kam und eben dort landete wo man eigentlich nicht parken sollte, auf jeden Fall nicht so. 

Aufgewacht bin ich dann auf jeden Fall im Krankenhaus. Nen ganz schönen Schädel hatte ich, bekam auch schnell heraus wieso. Platzwunde am Kopf, Schlüsselbeinbruch links und Innenbeckenbruch links. Jaaa super, hätte ich mir nicht etwas anderes aussuchen können? Nein, es musste ja gleich das volle Programm gefahren werden. Dass das Auto auch nen Totalschaden war, muss ich glaube ich nicht erwähnen. Nun denn, ich mit meinem Totalschaden, landete auf jeden Fall im Marienhospital Osnabrück. Ja genau, das Krankenhaus wo ich als Kind die "beste" Zeit meines Lebens verbracht habe, mit den schönen Spiegelungen, der Hilfe vom Arzt, der meiner Mutter in den Mantel helfen wollte und so weiter und so weiter.... 

Die Ärzte haben alles getan was se konnten, ist auch alles gut gegangen und ich wurde wieder heile geschraubt und gegipst... Nur eine Sache war für den Chefarzt damals nicht klar. Was zur Hölle habe ich da am Bauch? Joar, ich erzählte ihm meine Story und er schlug die Hände über dem Kopf zusammen. So etwas hatte er noch nie gehört. Und nein, es war kein junger Arzt sondern ein Professor der schon einige Jahre als Arzt tätig war. Nein, es lag an der Geschichte an sich. So etwas konnte niemand gehört haben, denn so etwas ist einfach nicht normal, darf es nicht geben, kann nicht sein... Ich glaub das waren ein paar Ausdrücke von seiner Seite aus. So kam es also wieder zu der Frage, was kann man denn da machen? Was da als Antwort kam, passte mir damals natürlich überhaupt nicht. 

Operation nach Befund

Es wurde besprochen dass ich wieder ins Krankenhaus komme, wenn alles verheilt war, also das vom Unfall. Ich meine, was sollte passieren, schlimmer konnte es nicht werden dachte ich mir damals. Auch mit meinem damaligen Freund habe ich alles besprochen und er stand voll hinter mir. Mach das, hieß es, auch von meinen Eltern und Geschwistern....  Es wird dir besser gehen und wie lange willst du damit sonst noch rumlaufen? Hatten ja alle Recht, aber für so eine Op braucht man mehr als nur eine Nacht zum drüber schlafen. Trotzdem entschied ich mich dann für die Operation. Angesagt wurde, Operation nach Befund, da keine Spiegelung durchgeführt werden konnte. Der Darm war zu entzündet und zu kaputt, das Verletzungsrisiko war zu hoch. Also wieder mal das Thema, schneiden wir raus was raus muss, schauen wir mal..... Der Satz dass ich meinen Bauchnabel behalten will, fiel übrigens wieder. Ich weiß gar nicht wieso ich damals nur an das Thema gedacht habe, aber irgendwo habe ich schonmal gesehen dass die durch den Nabel geschnitten hatten, und das wollte ich so nicht haben.

Der Tag war also da, nachdem ich 3 Wochen lang mit einem ZVK ernährt wurde, aussah wie ein kleiner Boxer ( meine große Schwester nannte mich so, da ich ziemlich rundlich war im Gesicht ). Kam natürlich durch das ganze Wasser und Kortison im Körper. 54 Kilo hatte ich auf der Waage, Hut ab, so viel hatte noch nie in meinem Leben gewogen. Also schonmal der erste Rekord. Und das vor der OP. Ab unter das Messer mit mir... ich habe mir sagen lassen, die OP dauerte an die 7 oder 9 Stunden, ich weiß es nicht mehr ganz genau. Nach Befund halt. Ich wurde ja auch vorher darüber informiert dass man nicht versprechen könne dass ich kein Stoma bekomme. Als ich irgendwann mal wieder wach wurde, kam dann aber die Gewissheit. Wieder schaute ich an mir runter, bekam erstmal einen Heulanfall weil mein Bauchnabel weg war, zum Glück war er nur zugeklebt.... Glück gehabt.... und dann sah ich es.... ein Beutel, eine Basisplatte.... kein Pflaster, keine Drainage.... ne, 52 Klammern im Bauch und daneben ein Stoma. Dünndarmstoma.... heißt, der Dickdarm ist komplett raus. Nichts mehr mit der Chance auf zurückverlegen oder so... ne, aus vorbei, das Ding bleibt auf Ewig. 

Gib den Dingen einen Namen

Tja... was mach ich jetzt? Wenn man mit seinen 22 Jahren, so kurz vor seinem 23. Lebensjahr im Krankenbett liegt, frisch operiert wurde, weiß, dass man jetzt ein Leben lang so ein Ding am Bauch kleben hat, was denkt man da? Ganz ehrlich? Ich weiß nicht mehr was ich gedacht habe. Sowieso scheint es mir, dass die Dinge von früher, viel mehr im Kopf eingebrannt sind, als die, die noch nicht so lange her sind. Auf jeden Fall weiß ich noch, dass ich auf jeden Fall ein Einzelzimmer bekommen habe, weil der Chefarzt meinte, ich bräuchte jetzt viel Ruhe um Kraft zu tanken. Daher hat er sich eingesetzt und mir ein Einzelzimmer gegeben. Für ganze 3 Wochen wohl bemerkt. Dafür danke ich Professor Dr.Müller aus dem Marienhospital in Osnabrück heute noch. Ich bekam natürlich auch Besuch aus dem Krankenhaus. Die Stomatherapeutin kam. Jetzt heißt es, lernen lernen lernen. Wie versorge ich das Stoma, was für Material gibt es, wie oft muss man das machen usw..... 
Sie meinte, dass ich eine Anschlußheilbehandlung machen solle, wo ich lerne damit umzugehen und erstmal klarzukommen. Das hab ich aber abgelehnt. Ich wollte einfach nach Hause. Ich war jetzt insgesamt 7 Wochen im Krankenhaus und ich denke, das war Heilung genug. Ich wollte zurück nach Hause zu meinem damaligen Freund. Wo, wenn nicht zu Hause, kann man besser lernen im Alltag klarzukommen? Und dort fing es auch an, dass ich mir Gedanken gemacht habe, wie ich mit dem Thema umgehe wenn ich eben außerhalb der eigenen 4 Wände unterwegs bin. Was mache ich wenn mal was kaputt geht? Oder wenn Menschen mitbekommen dass bei mir was blubbert? Oder das Knistern vom Beutel, bleibt das so laut oder gibt es da auch andere Beutel die man nutzen kann? Fragen über Fragen..... Aber, all das hat sich über die Jahre natürlich verändert. Es gibt mittlerweile so tolle Versorgungen. Inzwischen habe ich meine perfekte Lösung gefunden. Zurück zu dem Thema, Namen geben. Wie komme ich darauf? Ganz einfach. Sitz mal mit ein paar Leuten am Tisch die du nicht unbedingt gut kennst, ich nenn es mal Bekannte. Man sitzt dort, trinkt und isst was schönes und muss da schon ständig und alle 5 Minuten zum Besten geben wieso man was nicht essen darf und wieso ich dies und jenes nicht trinken darf. Wenn dann noch etwas mit dem Stoma ist, und will ich nur kontrollieren ob alles ok ist, habe ich definitiv keine Lust, jedem zu erzählen was ich habe. Das waren damals meine Gedanken. Also kam ich auf den Namen "Hugo". Vielleicht kennt der Ein oder Andere noch die Spielsendung damals auf Kabel 1, wo ein kleiner grüner Kobold über Steinsäulen hüpfen musste, damit man Geld gewinnen konnte. Der kleine Kobold hieß Hugo und ich fand den damals so toll. Da dachte ich mir, hey, wenn irgendetwas ist, muss ich einfach Hugo anrufen, kurz mit Hugo quatschen oder wenn ich nicht so gut drauf bin, reicht es wenn ich meinem Partner oder den Leuten mit denen ich unterwegs bin und die Bescheid wissen sage, dass Hugo gerade nervt. Alles gesagt mit einem Namen. Von daher ganz einfach, ich habe einen Hugo. 

Mit den Jahren verändert man sich

Die Zeit verändert nicht nur den Körper, sondern auch den ganzen Menschen. Bedeutet, auch ich habe mich verändert, bin aus dieser "kranken" Phase rausgekommen und wollte endlich was erleben, Freunde finde, raus, einfach leben. So kam es leider, dass auch die beste Beziehung nicht alles aushält. Ich weiß dass ich damals das Thema falsch angepackt habe, oder besser gesagt, ich war überfordert mit allem. Ich habe meinen Freund im Endeffekt alleine gelassen, ja. Ich wollte etwas ändern, habe es zusammen mit meinem Freund machen wollen. Als ich merkte dass er nicht damit klar kam, vielleicht auch einfach nicht in der Geschwindigkeit, machte ich es einfach trotzdem. Ich ging raus, ging auf Partys, lernte Leute kennen, Leute hört sich gut an, wohl eher Kerle. Und da war dann dieser Eine der mir damals so imponierte. Ich dachte, hey, mit dem kannste auf Party gehen, mit dem kommst raus, mit dem wird jetzt alles neu. Ohne da jetzt zu sehr drauf einzugehen, ne, klappte natürlich nicht. Ich lernte schnell warum mein Freund damals wohl auch meinte, halt Dich aus der Szene raus, bleib da weg. Jau, das merkte ich dann schnell. Die Szene ist abartig arrogant, egoistisch und absolut oberflächlich. Die Toleranz die schwule für SICH einfordern, schaffen sie in den eigenen Reihen nicht für 5 Minuten. Damit fängt dann wohl das Thema Abrechnung an. 
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