Schneiden wir das Schlechte doch mal raus.... 


12.02.2001 - Mittlerweile lag ich über 2 Wochen im Krankenhaus. Die Ärzte meinten, das ganze Kortison und Imurek und Salofalk brächten nichts mehr, also schneiden wir doch mal raus, was nicht dahin gehört. So schön der Plan, so katastrophal die Umsetzung. Ich wog so um die 46 Kilo, nicht viel bei der Größe von 176 cm..... aber was sollt ich tun? Monatelang wenig gegessen. Wenn man Schmerzen hat, ca 20 Tabletten am Tag zu sich nimmt, hatte man eben keinen Hunger. Nun denn... Die Ärzte haben sich dann wie schon geschrieben, doch noch entschlossen zu operieren. Nachdem man jahrelang sagte, dass ich aus der Krankheit "rauswachsen" würde und es im Alter ja besser werden würde. Genug Medikamente gab es ja. Die Operation sollte so verlaufen, dass der entzündete Teil des Dickdarms entfernt wird und ich dann Ruhe habe. So schön so gut. Ich kam also unters Messer, wurde dann so langsam wieder wach, schaute an mir herunter und hurra... kein Stoma. Nur eine kleine Narbe, schön um den Bauchnabel herum geschnitten wie ich es mir ausdrücklich gewünscht hatte. Es gibt auch Fälle da schneiden sie stumpf durch. War mir damals irgendwie besonders wichtig. Ich war auf jeden Fall so froh dass es jetzt endlich bergauf gehen sollte. 

Da stimmt was nicht

Nach ca 1ner Woche merkte ich dann aber, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich hatte ja eine Drainage, da sollte eigentlich nur Wundwasser ablaufen. Aber das war irgendwas anderes. Also holte man die Ärzte ans Bett, die schauten ganz erschrocken, aber dennoch ruhig und meinten, das soll so nicht sein. Aber da ich mittlerweile ja nur noch 38 Kilo wiegen würde, wäre eine erneute OP zu riskant und auch eine Untersuchung wäre nicht möglich. War ja frisch operiert. Achso, es war übrigens das Klinikum Osnabrück, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte. 

Nach 2 Wochen wurden wir dann alle etwas ungeduldig und auch etwas gereizt. Ich glaube das Wort etwas ist einfach nur freundlicherweise von mir benutzt worden. Ich war zu schwach um zu laufen, zu schwach um zu sitzen, konnte nichts essen, lag aber auch nicht am Tropf, bekam keine Ernährung durch einen Tropf oder ZVK ( zentraler Venenkatheter ). Nein, man lies mich dort so liegen weil mein Darm nicht zusammengewachsen war, bzw genau an der Naht sich eine Fistel gebildet hatte. Achso, somit lief also die ganze Sch.... in den Beutel der mittlerweile an mir dran klebte. Nur dass es eben nicht so sein sollte. Was kann man da machen? Das war die Frage meiner Mutter. Das Krankenhaus antwortete, und dazu solltet ihr jetzt besser sitzen. "Wir würden den Jungen jetzt entlassen, da wir ja nichts machen können. Das zahlt die Kasse nicht!" Bitte was? Ich wiege 38 Kilogramm, sehe aus wie der Tod in Person, habe eine Fistel die dafür sorgt dass nichts drin bleibt wo es hingehört, die Gefahr dass sich mein ganzer Bauchraum entzündet ist sehr hoch, und vor allem, wie soll das bitte von alleine wieder heilen? 

Nichts passierte und das Krankenhaus hat wirklich ernst gemacht, die Entlassung in ein paar Tagen veranlasst. Ich könne ja nach Hause zu meinen Eltern, dann wäre ich nicht alleine und wäre auch unter Kontrolle. Meine Mutter könne sich dann kümmern und mich wieder auf die Beine bringen. Achso, erwähnen sollte ich noch, dass mittlerweile ein Anwalt im Krankenhaus war, damit ich unterschreibe dass meine Eltern im Fall der Fälle entscheiden. Das wurde dann notariell beglaubigt, versiegelt und das wars. Mein Leben lag also in den Händen meiner Eltern, wenn ich nicht mehr in der Lage gewesen wäre zu entscheiden. Sind wir mal ehrlich, viel hat nicht mehr gefehlt. Das Krankenhaus hat es übrigens bis zum letzten Tag nicht geschafft eine Aufbaukost zu besorgen. So etwas hätten sie nicht in der Küche und das müsste bestellt werden, könne aber dauern. Dass meine Mutter in der Apotheke nebenan das Kram innerhalb von 24 Stunden bekommen hat, auf eigene Kosten, interessierte damals niemanden. 


Wenn man mit 20 zurück zu den Eltern zieht.... 

Naja, ich wurde dann also entlassen, mit 38 Kilo, im Rollstuhl, einer Fistel die unentwegt etwas förderte was eigentlich nicht da rauskommen sollte. Klar bin ich wieder zu meinen Eltern gekommen, in das Gästezimmer, in mein altes zu Hause. Von wohlfühlen konnte aber keine Rede sein. Wie denn auch? Ich lag den ganzen Tag im Bett, konnte weder essen noch trinken, wollte nur noch schlafen, wollte eigentlich gar nichts mehr. Ich wurde dann noch zu einer Reha geschickt, weil man dachte ich würde ein wenig übertreiben und es wäre alles halb so schlimm. Ich solle mich mal erholen, weg von zu Hause, die wären nämlich alle Schuld weil se mich ja alle einlullen und betüddeln würden. Also ab in die Reha nach Bad Hersfeld. Was dort abging möchte ich gar nicht mehr erzählen, bzw das wäre für mich zu viel und für Dich nachher auch. Für mich vom Kopf, für Dich zu viel zum Lesen. Nur so viel sei gesagt, meine Oma und ihr damaliger Partner haben sich mit dem kompletten Team angelegt und mich nach 3 Wochen durch meine Eltern abholen lassen. Auch dort war man nämlich der Meinung dass ich einfach nur keine Lust habe und man mir so nicht helfen könne. Dass ich nicht für 5 Sekunden auf meinen Beinen stehen konnte, hat wohl niemand von den Ärzten bemerkt. Dass ich Schmerzen hatte und selbst die Medikamente so wieder aus dem Körper flutschten, ist denen wohl auch entgangen. Also zurück zu Mama..... 

Wir mussten dann handeln, das wussten alle. Also haben wir begonnen eine Aufbautherapie zu starten. Eine Straße weiter war zum Glück eine Praxis für Krankengymnastik. Dort war Ursel. Ursel hat mich wirklich geärgert, hat mir in den Arsch getreten und mich wirklich gefordert bis ich nichts mehr konnte. Und wenn es nur den Arm heben war, das war für mich damals so mit als wenn jemand einen 10 Km Lauf absolviert hätte. Aber, es brachte etwas. Ich nahm merkwürdigerweise zu, meine Muskeln bauten sich wieder auf, ich konnte mit Krücken oder wie man so schön sagt, mit Gehhilfen etwas durch die Wohnung gehen und zum Essen wenigstens am Tisch dabei sein. Auch wenn ich dort gefüttert wurde wie ein Kleinkind und ich nichtmal selber duschen konnte, es hat funktioniert. Es gab natürlich genug hysterische Momente. Meine Mutter und ich waren beide am Ende. Ob es das morgendliche Waschen war, das Aufstehen zur Gymnastik, es war eine Katastrophe. Es dauerte manchmal mehr als eine Stunde bis ich fertig war. Wobei fertig in dem Fall bereit heißt, fertig war ich nach 2 Minuten. 
Wie auch immer, ich kann es wirklich nicht sagen, haben wir es geschafft, dass ich zurück auf meine 46 Kilo kam. Stark genug um einigermaßen klarzukommen. Zwar nur mit Gehilfe und Rollstuhl, aber ich konnte zurück in meine Wohnung. Damals lernte ich dann nen süßen Typen kennen. Er wusste nichts von meiner Krankheit. Er lernte mich auf einer Party kennen, auf die ich mich dann einfach mal getraut habe hinzugehen. An dem Abend haben wir uns gesehen und anscheinend schon toll gefunden, denn ein paar Tage haben wir uns auf einer Plattform im Internet gesucht und gefunden. Das erste Treffen war schon aufregend für mich, wie sollte ich jemandem erklären was ich da habe? Wie überhaupt jemandem begreiflich machen was mit mir los ist, wenn ich es ja selber kaum noch verstehe? Nun denn, ich hab den Mut gehabt mit ihm darüber zu reden und war erstaunt wie er es aufgenommen hat. Als wäre es das normalste der Welt. So etwas kannte ich bis dato nicht aus der sogenannten "Osnabrücker Szene". Was das Thema Männer angeht, so könnte ich Geschichten erzählen dass einem Angst und Bange wird. Aber lassen wir das - glaube ich - ersteinmal raus hier. Nur so viel, dumme Sprüche und Blicke gab es viel. Verständnis und Rücksichtnahme, welche die schwulen Männer ja gerne für sich beanspruchen, dafür wenig. So viel zu dem Thema, wir sind ja alle so tolerant und erwarten das von anderen, aber untereinander sind wir die größten Zicken und schlimmsten Feinde die man niemandem wünscht. 

Zurück zu dem süßen Typen. Wir waren recht schnell ein Paar. Ein tolles dazu. Er half mir durch die nächste schwere Phase in meinem Leben. Die zweite Operation. Wie es dazu kam und warum aus allem dann das wurde, was ich heute habe, liest Du in der Rubrik, Hugo ist da. 

P.S Die Bilder hier im Text zeigen mich in der Vitalisklinik in Bad Hersfeld. Die Bilder hat meine Oma damals gemacht, damit ich später schauen kann wie es damals war. Sie wusste schon damals dass ich wieder auf die Beine komme. 

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